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Deutschlands innovativste Food-Start-ups

Veränderte Essgewohnheiten und der Klimawandel führen zu einem Umdenken in der Lebensmittelbranche.

Im Bereich Fleischersatz hat sich heutzutage vieles verändert: Pflanzliche Steaks, Bacon und Aufschnitt, meist auf Basis von Soja, Erbsenprotein oder Weizeneiweiß, sind inzwischen in den meisten Supermärkten erhältlich. Zudem wird auch mit neuen Grundstoffen experimentiert. Das in Hamburg gegründete Start-up “Infinite Roots”, früher bekannt als “Mushlabs”, stellt Fleischbällchen aus fermentierten Pilzen her. Genauer gesagt nutzen sie das fadenförmige Wurzelgeflecht von Speisepilzen, das natürlichen Umami-Geschmack bietet. „Dadurch kommen unsere Produkte ohne Geschmacksverstärker aus“, so Gründer und CEO Mazen Rizk. Das Pilz-Myzel benötigt im Gegensatz zu Rindern oder Sojabohnen nur drei bis vier Tage zum Wachsen, und das wetterunabhängig. „Gegenüber Fleisch sparen wir so bis zu 90 Prozent Wasser ein, um die gleiche Menge an Lebensmitteln zu erzeugen“, erklärt Rizk. Obwohl die Myzel-Fleischbällchen noch nicht im Supermarkt erhältlich sind, da “Infinite Roots” auf die Marktzulassung wartet, hat das Start-up bereits Investoren wie “Rewe” und “Haribo” überzeugt.

“Infinite Roots” zählt mit seinem Fleischersatz aus Pilzwurzeln zu den innovativsten Food-Start-ups Deutschlands und hat das Potenzial, den Lebensmittelmarkt erheblich zu verändern. Eine Studie der Beratung “Munich Strategy” zeigt dies auf, bei der Branchenexperten 300 Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie analysierten, um die 50 innovativsten Newcomer im Food-Bereich – die „New Food Stars“ 2024 – zu ermitteln.

Im Mittelpunkt: Ressourceneffizienz

Die Initiative „New Food“ zielt darauf ab, die Nahrungsmittelindustrie und die weltweite Ernährung grundlegend und positiv zu transformieren. „Das Ziel ist, nahrhafte Lebensmittel für alle Menschen zur Verfügung zu stellen, und das möglichst umweltschonend und ressourceneffizient“, erläutert Kai-Markus Hock, New-Food-Experte bei “Munich Strategy”.

Starkregen und Dürreperioden als extreme Wetterereignisse beeinträchtigen die Ernteerträge und verringern die Verfügbarkeit von Wasser als Ressource. Diese Faktoren führen zu steigenden Lebensmittelpreisen, die sich besonders bei Fleisch- und Milchprodukten bemerkbar machen, welche wegen ihrer hohen CO2-Intensität in der Kritik stehen. Eine abnehmende Nachfrage, vor allem in westlichen Ländern, und strengere Tierwohlstandards zwingen die Hersteller dazu, ihre Produktion anzupassen. Eine dynamische Start-up-Landschaft von der Landwirtschaft bis hin zum Vertrieb entwickelt sich in der Food-Branche.

Die Untersuchung von “Munich Strategy” konzentrierte sich vor allem auf junge Unternehmen entlang der gesamten Lebensmittelkette. Die „New Food Stars“ zeichnen sich durch drei Hauptkriterien aus: Ihr Geschäftsmodell hat Marktpotenzial, sie sind disruptiv mit einem prognostizierten Einfluss auf die Nahrungsmittelindustrie, und sie haben die Gründungsphase erfolgreich hinter sich gebracht.

Um Innovationen zu schaffen, reicht oft ein neuer Ansatz für eine bereits bestehende Idee aus. Vegane Burgerpatties auf Weizenproteinbasis sind zwar nichts Neues, doch ein Patty, das besser und fleischiger schmeckt als andere, wird als Innovation betrachtet. „Besonders der Markt für Fleischalternativen ist groß“, erklärt Studienleiter Hock. „Ein solches Produkt hat hohes Substitutionspotenzial, obwohl die Disruption vergleichsweise gering ist.“ Julian Hallet und Robin Drummond möchten beweisen, dass pflanzliche Meeresfrüchte ebenso lecker sein können. Sie gründeten 2020 das Unternehmen “Happy Ocean Foods” in München.

Hallet erklärt: „Das Problem der Überfischung ist das Pendant zur Massentierhaltung an Land.“ Die Thunfischalternative besteht aus Erbsenprotein, während die „Shrymps“ auf Soja basieren. Eine Lachs-Alternative soll demnächst auf den Markt kommen. Das Ziel ist es, keine exakte Nachahmung zu schaffen, sondern immer „eine fischige Note und angenehme Textur“ zu gewährleisten. Einige Hersteller entwickeln im Labor völlig neue Ersatzverfahren. Hock sagt: „Kultiviertes Fleisch zum Beispiel ist eine sehr innovative Technologie, bei der wir derzeit noch nicht von einem wirklichen Markt oder einer etablierten Industrie sprechen können“.

Tierische Stammzellen werden entnommen und in einer Nährlösung vermehrt, wodurch sie zu Muskelgewebe heranwachsen. So kann Fleisch ohne herkömmliche Viehzucht und Schlachtung entstehen. „Die Technologie hat das Potenzial, den globalen Fleischkonsum massiv zu beeinflussen“, erläutert Experte Hock. Das klassische Fleisch könne man so „in hohem Maße ersetzen“. Zellkulturen lassen sich auch bei anderen tierischen Produkten wie Milch einsetzen. 

Das Freiburger Start-up “Senara”, das 2022 gegründet wurde, stellt vollwertige, nachhaltige Milchprodukte ohne Kuh her. Die Gründer entdeckten trotz zahlreicher Milchalternativen aus Mandeln, Hafer oder Soja eine Marktlücke. „Pflanzliche Milchen haben sich aufgrund des verringerten ökologischen Fußabdrucks als Alternativen zu Kuhmilch bewährt, können aber weder die Funktionalität, den Nährwert oder den Geschmack von Milch replizieren“, erklärt CEO und Gründerin Svenja Dannewitz. Außerdem enthalten diese Alternativen häufig viel Zucker. Stattdessen plant Senara, bioidentische Milch komplett ohne Kühe herzustellen. Die promovierte Biologin erläutert: „Wir extrahieren milchproduzierende Zellen direkt aus der Milch von Tieren wie Kühen“. Diese Zellen werden dann in speziellen Bioreaktoren kultiviert, ähnlich wie bei der Produktion von Joghurt oder Bier. Auf diese Weise produzieren die Zellen weiterhin Milch, jedoch außerhalb der Kuh. „Diese Vorgehensweise steigert die Effizienz und stellt eine keimfreie Umgebung sicher“, erklärt Dannewitz.

Partnersuche für zellbasierte Milch

Es wird noch eine Weile dauern, bis die zellbasierte Milch marktreif ist, da sich die Produktion aktuell noch im „Laborstatus“ befindet. “Senara” plant, im Sommer die nächste Finanzierungsrunde zu starten und Industriepartner zu finden, um die Produktentwicklung voranzubringen.

“Munich Strategy” hat keine Noten für den Reifegrad der Entwicklung vergeben, anders als bei den Kriterien Disruption und Potenzial. Studienleiter Hock erläutert: „Je früher in der Entwicklung sich ein Produkt befindet, desto schwieriger ist es auch, seine Zukunft einzuschätzen“. Ein erfolgreicher Markteintritt sei hingegen nur ein Hinweis darauf, dass das Unternehmen in zwei oder drei Jahren noch bestehen könnte.

Das Start-up „Pwrgum“ hat bereits eine erfolgreiche Innovation auf den Markt gebracht: Energydrinks in Kaugummiform. Thomas Poschen kam im Jahr 2020 auf die Idee. „Ich wog damals 153 Kilo und trank vier bis sechs Energydrinks am Tag“, erzählt er. „Als mir dann 4XL-Kleidung nicht mehr passte, brauchte ich dringend eine Alternative.“ Gemeinsam mit zwei Freunden entwickelte er einen Kaugummi, der eine gesündere Alternative mit derselben Wirkung bieten soll. Seit Jahren warnen Verbraucherzentralen, dass zuckerhaltige Energydrinks Übergewicht und Diabetes fördern können. Sie fordern ein Verkaufsverbot dieser koffeinhaltigen Erfrischungsgetränke an Minderjährige. Diese Probleme treten bei Poschens „Powergum“ nicht auf. Poschen erklärt: „Er ist komplett zuckerfrei, zahnpflegend, man muss nichts trinken und keine Dose mitschleppen“.

Die schnelle Wirkung ist ein weiterer Vorteil des Energy-Kaugummis: „Unsere Kaugummis wirken im Prinzip sofort, da die Inhaltsstoffe beim Kauen direkt über die Mundschleimhaut aufgenommen werden und so umgehend in die Blutbahn kommen“, erläutert der Gründer. Bei herkömmlichen Energydrinks dauert es 20 bis 30 Minuten, bis die Wirkung einsetzt. “Pwrgum” bietet vier Geschmacksrichtungen an: Minze, Zimt, Grapefruit und eine Energydrink-Variante für diejenigen, die das spezielle Aroma bevorzugen.

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